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Warum sind Sie mit Ihrem Partner zusammen?

von Ingo Zacharias am 30. März 2011

„Weil ich ihn liebe.“ So lautet wahrscheinlich Ihre spontane Antwort. Aber Liebe als Gefühl ist etwas sehr Unbeständiges. Gefühle kommen und gehen unentwegt in uns: gerade noch fühlen wir uns offen und liebevoll und im nächsten Moment sind wir – ganz unerwartet – verärgert und abweisend.

Mit dem Wort „Liebe“ bringen die meisten von uns im Kontext einer Paarbeziehung eine ganz spezielle Verbundenheit mit einem Menschen zum Ausdruck. Wir empfinden so etwas wie eine Grundstimmung besonderer Zuneigung, die unter den ständig wechselnden Gefühlen bestehen bleibt. Und wenn wir keine Liebe mehr empfinden ist eben diese Grundstimmung verloren gegangen.

Warum leben Menschen nun in einer Paarbeziehung? Was ist das Fundament dieser ganz speziellen Verbindung zwischen zwei Menschen, so dass sie bereit sind, ihr Leben miteinander zu teilen?

Ohne eine grundsätzliche Erklärung für das Phänomen „Partnerliebe“ geben zu wollen, möchte ich in diesem Artikel auf einige Motive eingehen, die aus meiner Sicht einerseits schon unbewusst die Partnerwahl – und damit unser Empfinden von Liebe – beeinflussen und andererseits entscheidend zur Festigung (oder auch zur Auflösung) der Paarbeziehung führen.

Michael Mary nennt in seinem Buch „Erlebte Beratung mit Paaren“ vier Gründe oder Bereiche, warum Menschen in einer Beziehung leben:

Bedürfnisorientierte Beziehungen

In dieser Form der Beziehung können bestimmte Bedürfnisse besonders gut erfüllt werden. Zentral  Bedürfnisse sind hier: Geborgenheit/Zugehörigkeit („Ich will nicht alleine leben“), materielle Sicherheit, geistiger Austausch und Sexualität.

Projektorientierte Beziehungen

Sie dienen der Verwirklichung von Lebensträumen. Sie können in der Gründung einer Familie bestehen, dem Aufbau einer Firma, in sozialem oder politischem Engagement oder einer spirituellen Ausrichtung.

Eine projektorientierte Beziehung betont besonders die partnerschaftliche Liebe. Nicht die leidenschaftliche Liebe sondern die freundschaftliche Verbundenheit steht im Mittelpunkt. Wie ein Paar es nach mehr als 40 Jahren gemeinsamen Weges ausdrückte: „Wir sind wie Bruder und Schwester füreinander.“

Wesenhafte Ergänzungen

Man kann einen Menschen lieben, weil man mit ihm ein besonderes Gefühl der Ganzheit erlebt. Bestimmte Eigenschaften, die man bei sich selbst kaum oder nicht findet, spürt man intensiv im Kontakt mit dieser Person. So kann sich Kraft mit Zartheit oder Bodenständigkeit mit Verrücktheit verbinden.

Ein gemeinsamer Liebesmythos

Bei dieser Beziehungsgrundlage haben beide Partner eine gleiche normative Vorstellung, worin der Sinn und das Glück einer Beziehung liegt. Diese Vorstellung kann lauten: „Wir wollen füreinander da sein, bis der Tod uns scheidet.“, „Wir wollen für immer treu sein“, „Wir wollen eine (sexuell) offene Beziehung führen“ oder „Wir wollen eine christliche Ehe führen“.

Ein Beziehungsmythos kann die Partner sehr fest aneinander binden und sie große Schwierigkeiten überstehen lassen. Zugleich kann die Verletzung dieser Grundlage durch einen Partner zu einer tiefen Krise führen.

Diese Aufteilung in vier Bereiche ist natürlich nur ein Hilfsmittel, um sich die eigenen Motive bewusster machen zu können. In der Realität überlappen sich diese Bereiche bzw. es kommen mehrere gleichzeitig vor.

Die größte Gefahr für die Beziehung sind die Partner.

Mit diesem Satz beschreibt Michael Mary, dass die Beziehungsgrundlagen für die Partner nicht ein für alle Mal festgelegt sind, sondern sich im Laufe des Lebens ändern können. Und zwar sehr stark.

Ist beispielsweise für die Partner das Motiv „Familiengründung“ lange Zeit dominierend, wird nach dem Auszug der Kinder aus dem Elternhaus eine Neuorientierung notwendig. Was verbindet uns jetzt? Gibt es andere Motive, die bisher am Rande standen, etwa das Bedürfnis nach Geborgenheit, die für beide jetzt in den Mittelpunkt treten können? Oder gibt es andere Motive, wie das der Selbstbestimmung, das jetzt so stark ist, dass es keine tragfähige Grundlage für die Beziehung mehr gibt?

Die Liebe braucht eine realistische Grundlage.

Ich finde es sehr hilfreich, sich ganz realistisch über die Beziehungsgründe Gedanken zu machen. Denn diese nüchterne Betrachtung kann viel unnötiges Leiden vermeiden und die Grundstimmung der Liebe auf ein neues Fundament stellen.

Natürlich kann es auch passieren, dass Anziehung und Liebe füreinander „einfach weg sind“ – trotz gemeinsamer Beziehungsgrundlage. Aber meistens verschwindet dieses Empfinden als Ergebnis eines Prozesses, in dem wir für uns neue Prioritäten gesetzt haben und der Meinung sind, dass diese Prioritäten nicht mehr mit denen des Partners übereinstimmen.

Das Problem dabei: dieser Prozess läuft oft völlig unbewusst ab. Erst das vermehrte Auftauchen von Konflikten in der Beziehung kann ein Hinweisschild sein, das sagt: „Irgendetwas hat sich verändert in unseren Prioritäten. Lass es uns herausfinden und darüber reden, was das für unsere Beziehung bedeutet.“

Praktische Selbst-Reflexion

Vielleicht haben Sie durch das Lesen schon spontan ein Gefühl dafür bekommen, wo Ihr Beziehungsschwerpunkt liegt. Aber die Frage „Warum sind Sie zusammen?“ kann auch zunächst mehr Verwirrung als Antworten auslösen. Dann kann es hilfreich sein zu fragen:

„Was würde Ihnen am meisten fehlen, wenn Sie nicht mehr zusammen wären?“

Wenn Sie die bedürfnisorientierte Beziehungsgrundlage näher erforschen wollen, können Sie hier eine Bedürfnisliste herunterladen. In diesem Arbeitsblatt finden Sie auch die wichtige Unterscheidung zwischen Bedürfnissen und Verhaltensstrategien (in Anlehnung an die Gewaltfreie Kommunikation).

Sind Ihnen beiden die Motive für Ihr Zusammensein bewusster geworden, können Sie in einem zweiten Schritt schauen, welche Veränderungen in den Schwerpunkten Sie sich wünschen und ob Sie gemeinsame Absprachen treffen können, diese mehr zu leben.

Wenn es für Sie schwierig ist, sich über Ihre Beziehungsgrundlage klar zu werden bzw. mit dem Partner über Ihre Motive konstruktiv zu reden, können Sie auch eine Kurzzeit-Paarberatung (mit der sehr effektiven Methode der Erlebten Beratung) mit Ute Niemann und mir wahrnehmen.

Was ist Ihre Beziehungsgrundlage? Und wie hat sie sich schon im Laufe der Zeit verändert?

© Foto oben: Monkey Business – Fotolia.com

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Ein Kommentar
  1. Eine schöne Idee, die Verbundenheit der gemeinsam erlebten Liebe zu thematisieren und einmal alle Aspekte zu reflektieren. Hat ir gefallen Danke

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