Skip to content

Über die Wandlung der hektischen Zeit in Gelassenheit

von Ingo Zacharias am 7. Juni 2011

Im Alltag sind wir meistens auf dem Sprung. Es gibt viel zu tun, viel zu erledigen. Deshalb muss vieles möglichst schnell gehen. Und während wir noch diese Sache tun, sind wir im Kopf schon bei der nächsten Aktivität. Oder wir versuchen aus einer unangenehmen Tätigkeit oder Situation möglichst schnell raus zu kommen, um uns wieder besser zu fühlen.

Fast jeden Tag unterziehen wir uns unserem ganz persönlichen „Stresstest“: „Kriege ich alles hin?“ – „Da muss ich hin!“ – „Damit will ich endlich fertig werden!“

Irgendwo in uns kriegen wir mit, wie anstrengend, ja wie auslaugend diese Art zu leben ist. Wir freuen uns vielleicht auf den Urlaub oder einen freien Sonntag im Monat. Oder wir besuchen einen Entspannungskurs, machen Yoga, meditieren morgens 20 Minuten.

Wir lassen uns kurz etwas fallen – aber dann „muss“ es weitergehen. Wir funktionieren und versuchen, gute Gefühle zu maximieren und ungute Gefühle zu minimieren.

„Ich sitze auf meinem Leistungspferd.“

Maria-Magdalena Robben, Mitarbeiterin im Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach, hat zu diesem Lebensgefühl ein wunderschönes meditatives Gedicht geschrieben. Es stammt aus dem Buch „Wenn du Gott erfahren willst, dann öffne deine Sinne“ von Anselm Grün (S. 33-36).

Ich lade Sie ein, die Worte in Ruhe (!) auf sich wirken zu lassen. Und spüren Sie am Ende nach, welche Stimmen in Ihnen damit in Resonanz gehen – sowohl positive als auch kritische.

Nehmen Sie alle inneren Stimmen wahr und versuchen Sie in Ruhe (!) herauszufinden, wie eine Veränderung in Richtung mehr Entspannung und Gelassenheit aussehen könnte. Vergessen Sie dabei aber nicht, den Wertbeitrag des gesunden Anteils der „Leistungsstimmen“ zu würdigen und sie angemessen – aber eben nicht mehr unkontrolliert –  in eine Veränderung mit einzubeziehen.

 

Ich sitze auf meinem Leistungspferd
und jage durch die Zeit,
Stunde um Stunde,
Tag für Tag.

Schneller, schneller, mein Pferd.
Dort kannst du Zeit einsparen.
Abkürzung,
Sonderangebot.
Laufe, mein Pferd,
ich will es haben,
es lässt mich sparen,
mindestens 10 Minuten am Tag,
das sind 70 Minuten pro Woche.
Wie wunderbar,
dann können wir uns noch mehr leisten,
ich und du,
mein wunderbares Leistungspferd.

Jage weiter!
Minute für Minute,
Stunde um Stunde,
Tag für Tag.

Ich sitze fest im Sattel,
halte die Zügel straff,
jage weiter
von Termin zu Termin,
von Sitzung zu Sitzung,
von Gespräch zu Gespräch,
von Kurs zu Kurs.

Eile dich, mein Pferd,
damit wir Großes vollbringen
in dieser Welt.

Grau ist mein Pferd,
grau und schnell
wie ein Pfeil.
Ich gebe meinem Grauen die Sporen,
treibe es an.
Doch eines Tages klopft die Ruhe
an meine schnell pochende Herzwand.
Mein Pferd geht aus dem Galopp in den Stand,
ich flieg’ aus dem Sattel,
die Zügel sind mir entglitten,
mein Pferd trabt davon,
ich liege im Sand.

„Was willst du von mir?“
so schrei ich verzweifelt.
„Halt ein, vergiss nicht,
die Zeit, sie ist mein.“
Ich schnaube, ich schnaufe,
so wie mein Grauer,
und fürchte mich vor der Ruhe,
die an meiner Herzwand lauert.

Wie kann ich zur Ruhe kommen
nach all dieser Hast?
Ich spüre den inneren Druck
als unendliche Last.
Wie ein Roulettespiel
jagen meine Gedanken
Meine Gefühle und Gegensätze
in meiner Seele.

Gibt es denn überhaupt noch
einen Raum in mir,
der zu schweigen versteht,
der ohne Leistung und Druck
ganz heil in mir lebt?
Zeig’ mir den Raum,
der ohne Bewertung,
ohne Leistung und Zwang,
ohne Zeitdruck und Drang,
wo kein andrer zuhause ist
als nur ich allein.

Ich spüre den Sand
zwischen den Fingern
und atme die
duftende Frühlingsluft.
Zum ersten Mal,
so ist mir,
seh’ ich den Himmel,
die Farben der Bäume,
das Gras
und höre das Gurgeln des Baches,
der neben mir fließt.
Oder ist es in mir?
Ich atme tief ein
bis auf den Grund
und lasse los
endlich los.

Ein Traum holt mich ein:
Ich steh am Altar
in einem Kirchlein
in meinem Dorf
und halte meine Uhr
über die Gaben von
Wein und Brot
und bitte um Wandlung
meiner hektischen Zeit
in Gelassenheit.

– Maria-Magdalena Robben

 

 

Welche Stimmen in Ihnen gehen in Resonanz mit diesen Worten? Spüren Sie eine Sehnsucht nach mehr Gelassenheit in Ihrem Leben?

© Foto oben: Ursula Deja – Fotolia.com

_______________

 

Einen Kommentar schreiben. | Neue Artikel per RSS-Feed oder E-Mail abonnieren.

Keine Kommentare möglich.